Interview zum Early Access von Darkest Dungeon II 

26.10.2021
Von Brian Crecente

Als Darkest Dungeon erschien, lieferte es den Beweis dafür, dass aus dem altbekannten, klischeebehafteten Genre der Rollenspiele noch jede Menge mehr herauszuholen ist. Die düsteren Schauplätze waren eine passende Kulisse für sein nihilistisches Bild der Welt und der Helden darin. Vor allem ließ es erkennen, welche tiefen, psychologischen Auswirkungen die Abenteuer auf ihre Protagonisten hatten. Als Spieler musste man sich beinah so intensiv um die potenziell tödlichen Eigenarten der Gruppenmitglieder kümmern wie um ihre Kampf- und Erkundungsfähigkeiten.

Kurz gesagt, Darkest Dungeon war ein bewusst düsteres Spiel. Ein Meisterwerk unter den Rollenspielen, in dem man Leid und Todesmühe mehr als nur erahnen konnte.

Darkest Dungeon II, das ab heute im Early Access im Epic Games Store verfügbar ist, mutet in mancher Hinsicht wie eine tröstliche Wiedergutmachung für den Spieler an.

Die Welt scheint ihrem Ende noch immer mit jedem Moment näher zu kommen, aber dieses Mal führt das Abenteuer seine Spieler dem Licht entgegen, anstatt immer weiter fort von ihm.

In unserem umfassenden Interview mit Chris Bourassa, Creative Director bei Red Hook Studios, und Tyler Sigman, dem Design Director, geht es um die Entstehung des ersten Spiels, welchen Einfluss der Early Access auf den Nachfolger haben wird, und was die beiden damit meinen, dass dieses neue Spiel eher wie eine Familienreise als wie ein brutales Eishockey-Match anmutet.

Blicken wir auf Darkest Dungeon zurück. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Spiel zu entwickeln, das nicht nur von Kämpfen, sondern auch von den psychologischen Folgen dieser Kämpfe handelt?

Chris Bourassa, Creative Director:  Das Konzept entstand aus der Erkenntnis, dass Rollenspiele meistens Machtfantasien darstellen, in denen das Töten wie selbstverständlich hingenommen wird, und die Fortschritt mit immer aufwändigeren und übergroßen Waffen belohnen. Ich dachte mir, dass es eigentlich nicht viel bringen würde, wenn man einem normalen Menschen eine riesige Waffe in die Hand drückt und ihn in eine prunkvolle Rüstung steckt, wenn dieser Mensch ein Feigling ist. Tyler und ich stellten uns gegenseitig vor die Herausforderung, eine Spielidee zu entwickeln, bei der es um den Arm geht, der das Schwert schwingt, anstatt um das Schwert. Ein Konzept, das sich spielerisch mit dem Leben eines Abenteurers befasst, das, wenn man mal ehrlich ist, eigentlich fürchterlich miserabel sein muss.  Immer nur in der Finsternis irgendwelche Kreaturen zu töten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wäre doch ein unglaublich stressiges Leben. In langen, whisky-trunkenen Nächten entstand aus solchen Gesprächen Darkest Dungeon.

Tyler Sigman, Design Director:  Jedes Spiel braucht einen Aufhänger, einen „Hook“, und diese Idee schien genau richtig. Als Chris mit dem Vorschlag kam, musste ich sofort an viele meiner Pen-&-Paper-Rollenspielabende denken, bei denen begabte Rollenspieler psychologische Elemente ins Spiel einbrachten. Es wurde mir klar, dass dieser Aspekt in Computer-Rollenspielen nicht genug beachtet wurde. Wir wollten mit dem Spiel etwas Neues und Interessantes probieren, wenn wir schon ein paar Jahre unseres Lebens unbezahlt riskieren, um es zu entwickeln. Noch wichtiger als die geschäftliche Seite war uns allerdings, dass aus der Idee viele neue Spielmechaniken und Funktionen entspringen konnten. Insgesamt schien das Konzept solide genug, um darauf ein Unternehmen aufzubauen.

DDII Ss 0003Wann und wie habt ihr entschieden, dass es soweit wäre, einen eigenständigen Nachfolger für Darkest Dungeon zu entwickeln?

Tyler:  DD1 war ein Riesenerfolg. Deshalb haben wir uns zuerst darauf konzentriert, weitere Inhalte für das Spiel anzubieten. Im Kern ist es ein RPG, und RPGs sind modular. Wir waren froh, dass wir die Mittel hatten, das Spiel zu erweitern und zusätzliche Spielmechaniken einzubauen, die den Umfang des ursprünglichen Spiels gesprengt hätten. Doch nach einigen DLCs – für die wir mehrere Jahre gebraucht haben – spürten wir, dass der Moment für etwas Neues gekommen war. Chris und ich waren uns einig, nur dann einen Nachfolger zu entwickeln, wenn wir eine wirklich spannende Idee dafür hatten. Vom geschäftlichen Standpunkt aus war eine Fortsetzung naheliegend, aber bei solchen Entscheidungen ist uns Kreativität einfach wichtiger. Als wir eine Idee für den Nachfolger hatten, kam auch der Enthusiasmus, mit der Arbeit daran zu beginnen. Es war eine gute Entscheidung, und wir konnten die Welt des ersten Spiels tiefer ausarbeiten. Es hat einfach alles gepasst!

DDII Ss 0001Das erste Spiel war ein nihilistisches Abenteuer in einem unheimlich düsteren, gefährlichen Dungeon, und das Ende unterstreicht noch einmal die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens, das Böse zu bekämpfen, das die Geschichte charakterisiert. In der Fortsetzung strebt der Spieler etwas Besserem entgegen: einer Reise, bei der jeder Schritt neue Hoffnung entstehen lässt. Was hat euch dazu gebracht, die Atmosphäre des Spiels und des Abenteuers so drastisch anders zu gestalten?

Chris: Es war uns wichtig, nicht noch einmal dasselbe zu tun. Die Atmosphäre von Darkest Dungeon verfolgt konsequent und durchgehend ein Thema – sogar das nihilistische Ende schien angemessen, wenn man die Horroreinflüsse der grauenvollen Welt bedenkt. Was mir am Dasein als Indie-Entwickler besonders gefällt, ist, dass man eine ursprüngliche Idee kompromisslos umsetzen kann, auch mit Ecken und Kanten. 

Aber wenn man eine Idee oder ein Thema ausgereizt hat, gibt es darüber nicht mehr viel zu erzählen. Ich finde, es wäre zu komfortabel, zu wenig inspiriert gewesen, noch einmal dasselbe Konzept weiterzuspinnen – vielleicht wären uns die Ideen ausgegangen, oder das Spiel hätte sich wie Version 1.5 angefühlt.  Deshalb geht es in Darkest Dungeon II darum, nach einem schmerzhaften Misserfolg neues Vertrauen in sich selbst zu entwickeln. Bei DD1 ging es darum, immer tiefer in die Finsternis hinabzusteigen. Im Gegensatz dazu ist DD2 wie der Versuch, den Schatten zu entkommen und das Licht zu erreichen. Dieses Mal geht es nicht um Nihilismus, sondern um Hoffnung und den langen, harten Weg der Wiedergutmachung. Dadurch ist DD2 ein eigenständiges Spiel und kann sich in Richtungen entwickeln, die nicht zu seinem Vorgänger gepasst hätten.  

Fury 3

Gibt es Bücher, Filme oder Musik, die euch bei der Arbeit an der Fortsetzung, seiner Geschichte und Grafik beeinflusst haben?

Chris: Eine wichtige Inspirationsquelle war der Film „Herz aus Stahl“. Er erzählt von einer Panzerbesatzung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Sowohl Tyler als auch mir gefiel die Geschichte einer kleinen Gruppe, die auf engstem Raum miteinander auskommen muss, um lebensgefährliche Gebiete zu durchqueren. Im Angesicht tödlicher Gefahren und schwindender Vorräte kommt es in der Gruppe zu Streit, dann raufen sich alle wieder zusammen; sie kämpfen, lachen und weinen gemeinsam. Das schlug in genau dieselbe Bresche wie unser Spiel, in dem sich alles um die Herausforderungen einer mühseligen Reise dreht. Und um ganz ehrlich zu sein: Fast wäre es in DD2 um eine Scifi-Panzerbesatzung gegangen! 

Was die Musik angeht, habe ich mich sehr von „Blood Brothers“ von Bruce Springsteen inspirieren lassen! Das Lied hat einen subtil galoppierenden Takt und beschäftigt sich damit, wie sich jemand im Laufe seines Lebens verändert. Ein eher verhaltenes und nachdenkliches Lied, das aber nicht morbid ist. Mir gefiel dieses Gleichgewicht und ich habe versucht, der Persönlichkeit des „Academic“ (Akademikers), also des Erzählers, diesen Ausdruck zu verleihen. Im Gegensatz zum Vorfahren aus DD1 ist der Academic ein wenig schwermütiger und melancholischer. Mir war es wichtig, von den bissigen Kommentaren in DD1 wegzukommen und den Erzähler als jemanden darzustellen, der von Herzen das Beste für den Spieler und die Welt will.
DDII Ss 0015

Die Atmosphäre erinnert an das ursprüngliche Spiel, aber während die Charaktere in Darkest Dungeon austauschbar waren, versucht ihr in dieser Fortsetzung scheinbar, eine engere Beziehung zwischen dem Spieler und seiner Gruppe zu schaffen. Wie versucht ihr, diesen Mittelweg zu finden?

Chris:  In Darkest Dungeon unterstreicht die Austauschbarkeit der Streiter definitiv ein nihilistisches Weltbild und die große Auswahl trägt dazu bei, die Charaktere noch unpersönlicher zu machen. In Darkest Dungeon II strebt jeder Held seine eigene Erlösung an, daher gibt es von jeder Klasse nur einen. Während der Reise mit den Helden gibt es Gelegenheit, etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren – welche Fehler sie begangen haben und ihre (häufig tragischen) Geschichten. Die Beziehungen zwischen diesen Charakteren verändern und wandeln sich im Laufe eines Spieldurchgangs, können aber von einem aufmerksamen Spieler gelenkt werden. Das alles sorgt für eine Vertrautheit und Anteilnahme, die wir in Darkest Dungeon einfach nicht angestrebt hatten.

Tyler:  Bei DD1 hatten wir das „du bist ein böser Chef“-Thema schon ausgeschlachtet, weswegen wir nicht fanden, dass wir es wiederholen sollten. Und egal, ob die Spieler im ersten Spiel ihre Helden ausnutzten oder sie sorgsam behandelten, der Tenor war, dass sich alle für die Klassen an sich interessierten. Das Konzept der „Reise in die Hölle“ der Fortsetzung passte gut zu der Idee, den Helden näher zu kommen, viel Hoffnung in sie zu setzen und sie nicht mehr als austauschbar zu behandeln, wie man es in DD1 einfach tun konnte. 
DDII Ss 0019

Warum seid ihr von 2D-Modellen für die Charaktere zu 3D-Modellen übergegangen, und wie hat sich das auf die Spieloptik und das Spielgefühl ausgewirkt?

Chris:  Wenn man etwas schon kennt, wird man weniger empfänglich dafür. Ich hatte das Gefühl, dass es Darkest Dungeon II Frische verleihen würde, wenn wir einige Elemente unserer Präsentation änderten. Ich wollte, dass das Spiel seine eigene visuelle Identität hat. Bei DD2 haben wir zwar die schweren Schwarztöne und körnigen bzw. malerischen Texturen beibehalten, aber wir haben die erwachseneren Proportionen genutzt, die ich bei DD1 für die Marketinggrafiken verwendet hatte. Das Ziel war, Spielern des ersten Spiels eine Neuinterpretation des Altbekannten zu bieten und gleichzeitig den Beziehungen und Hintergrundgeschichten mehr Gewicht zu verleihen.

Die Erweiterung der Charaktere auf die dritte Dimension gibt uns die Möglichkeit zu komplexeren Animationen und visuellen Effekten sowie detaillierterer Beleuchtung. Zusätzlich verleiht sie den Fertigkeiten der Charaktere etwas mehr Persönlichkeit. Außerdem können wir jetzt mit alternativen Skins für Helden und Waffen experimentieren, die wir während des Early Access hinzufügen möchten.
Forest Combat

Warum veröffentlicht ihr das Spiel im Early Access und nicht erst dann, wenn es fertig ist? Wie wird sich das auf die Entwicklung des Spiels auswirken?

Tyler: Der Early Access war ein wirklich wichtiger und positiver Teil der Entwicklungsgeschichte von Darkest Dungeon. Es war sehr hilfreich, dass wir das Spiel noch in der Entwicklungsphase den Spielern zum Ausprobieren gegeben haben. So konnten wir viele der Mechaniken überprüfen und entsprechend der Rückmeldung der Spieler Anpassungen und Verbesserungen vornehmen. Gleichzeitig hatte der Early Access während der Entwicklung des Spiels den großen Vorteil, dass wir regelmäßige Einnahmen und damit überhaupt erst die Möglichkeit hatten, weiter am Spiel zu arbeiten, ohne dass uns das Geld ausging. Für die neue Fortsetzung können wir uns glücklich schätzen, dass die Firma in einer Lage ist, in der stetige Einnahmen keine entscheidende Rolle spielen, doch die anderen Vorteile des Early Access sind nach wie vor sehr wichtig. Nicht jedes Spiel eignet sich für den Early Access, aber Spiele mit einem gewissen Anteil prozedural generierter Inhalte und vielen ineinandergreifenden Systemen passen gut zu diesem Modell. Wir sind unheimlich stolz darauf (und sind erleichtert), dass DD1 oft als Positivbeispiel für Early Access genannt wird. Wir hoffen inständig, dass es uns bei der Fortsetzung genauso ergeht.
Meltdown

Während man im ersten Spiel in die unterirdischen Tiefen eines alten Familienbesitzes vordringen musste, geht es im Nachfolger um eine Reise zu einem fernen und mysteriösen Berg. Wie wirkt sich dieser Szenenwechsel auf die Gegnertypen aus, auf die man auf seiner Reise stößt?

Chris:  Für mich ist es wichtig, dass ein Monster nicht nur gruselig aussieht – es muss einen größeren, tückischeren, konzeptuellen Horror verkörpern. Bei Darkest Dungeon II geht es um das Ende der Welt. Wo man auch hinreist, gerät die Realität ins Wanken und die Bewohner der verschiedenen Regionen stellen unterschiedliche Antworten auf diesen existenziellen Kollaps dar.  

In den Städten lassen halbgeschmolzene Fanatiker Bücher und Gebäude in Flammen aufgehen und machen die Errungenschaften der Menschheit in einer vorsätzlichen Beschleunigung des Untergangs zunichte. Auf dem Land haben die Gegner beschlossen, ihre Speisekammern leerzufressen, und sich zusätzliche Münder und Zähne wachsen lassen, damit sie so viel wie nur möglich essen können, bevor alles der Zerstörung anheim fällt. In den regennassen Wäldern wandern Soldatenleichen apathisch umher und harren ihrem wie auch immer gearteten Schicksal.

Jede dieser Fraktionen ist die Erkundung einer möglichen Reaktion auf eine Katastrophe – Anarchie und Aufruhr, Völlerei und Hedonismus oder katatonische Lethargie. Indem wir den Fraktionen ein Konzept zugrunde legen, können wir diesen Schurken ein eigenes Erscheinungsbild geben, was das Gefühl der regionalen Identität noch verstärkt.
DDII Ss 0018

Der Rogue-like-Ansatz des Spiels wirkt, als ob es den Spielern bei jedem Abenteuer einen anderen Eindruck von der übergeordneten Geschichte vermitteln soll. Wie wurde das erreicht, und wie viele Spieldurchläufe sind erforderlich, um ein vollständiges Gefühl für die Geschehnisse in dieser größeren Welt zu bekommen?

Tyler:  In Darkest Dungeon kann es 50, 60, 80 oder mehr Stunden dauern, bis man eine Kampagne vollständig durchgespielt und das Endgame und die Geschichte erlebt hat. Das wollten wir in der Fortsetzung korrigieren. Wir haben sie eher als echtes Rogue-like gebaut, um kürzere, konzentriertere Spielerlebnisse zu ermöglichen. Insgesamt kann es dann genauso viel Zeit in Anspruch nehmen wie das erste Spiel, aber das Spielerlebnis ist anders. Wir haben mehrere Systeme, die einem nicht nur das Gefühl geben, für aufeinanderfolgende Expeditionen belohnt zu werden, sondern auch neue Inhalte erschließen. Erstens haben wir das Konzept von fünf großen Bossen im Spiel (der Early Access startet mit einem), und das gibt dem Spielverlauf sofort ein anderes Ziel. Mit der Zeit lernt man, dass eine unterschiedliche Zusammenstellung der Gruppe vorteilhaft ist, je nachdem, welche fiese Kreatur am Ende auf einen wartet. Zweitens haben wir für jeden Helden spielbare Hintergrundgeschichten. Man kann Kapitel abschließen, wenn man ihnen unterwegs auf den Expeditionen begegnet. Wenn man das Ziel erreicht, werden weitere Fähigkeiten für den Helden freigeschaltet. Diese Fähigkeiten werden im Profil gespeichert, das bedeutet, dass sie bei der nächsten Expedition, die man spielt, schon freigeschaltet sind. Das schafft einen starken Wiederspielwert: Nach und nach möchte man alle Helden und alle Fähigkeiten freischalten. Drittens gibt es das Konzept der Profillevel: Bei jeder Expedition, die man spielt, verdient man Profil-EP bzw. „Hope“ (Hoffnung), die das Profil verbessert. Jeder Levelaufstieg schaltet Helden, Gegenstände, Kutschen-Upgrades, verbrauchbare Gegenstände und sogar Charaktereigenschaften frei! Je mehr man sein Profil verbessert, desto umfassender werden auch die verfügbaren Spielmechaniken. Bei einer Expedition auf Profillevel 20 hat man deutlich mehr taktischen und strategischen Spielraum als ganz zu Anfang auf Level 1.
DDII Ss 0009

Ihr habt einige entscheidende Änderungen am Kampf vorgenommen, so habt ihr zum Beispiel die Präzision abgeschafft. Was habt ihr euch dabei gedacht und wie wird sich das Gameplay von Darkest Dungeon II gegenüber dem Vorgänger verändern?

 Tyler:  Bei der Arbeit an den DLCs für Darkest Dungeon wurde mir bewusst, dass wir auf einem Fundament aufstockten, das eigentlich schon in die Jahre kam und die ersten Risse zeigte. Im Hinblick auf Spielsysteme wird man von Entscheidungen konditioniert, die schon sehr früh getroffen wurden – in einigen Fällen sogar vor unserem Kickstarter! Als wir mit der Arbeit an der Fortsetzung begannen, wussten wir mit Sicherheit, dass Kämpfe wieder ein wesentliches Spielelement sein würden. Sie sind ein zentraler Bestandteil von Darkest Dungeon sind und wir hatten das Gefühl, dass das immer noch sehr solide und interessant war und wir damit noch weitere taktische Möglichkeiten erkunden könnten. Dies war jedoch eine seltene Gelegenheit, einen Schritt zurückzutreten, das Innenleben genau zu betrachten und nach Möglichkeiten zu suchen, es zu verbessern.

Ich wollte sehen, ob wir etwas von dem knackigen Gameplay einbringen können, das man in Sammelkartenspielen und anderen Card-Battlern sieht, während wir gleichzeitig die typischen Elemente von Darkest Dungeon beibehalten. Insbesondere wollte ich herausfinden, ob wir auf einige verwirrende und unbeholfene Statistiken verzichten und dafür kultigere Mechanismen verwenden könnten, die sich besser vermitteln ließen, ohne den taktischen Raum im Spiel zu verringern. Ich wollte alles einen Schritt weiter in Richtung eines komplexen Puzzles bringen. Das Schlüsselelement dieser Änderung war die Verwandlung der Spielmechaniken in Token: das sind Symbole im Spiel, die auf einem Helden oder Monster vorhanden sein können und eindeutig einen Wert oder eine Mechanik anzeigen. Zum Beispiel: STÄRKE (+50 % zugefügter Schaden beim nächsten Treffer) oder BLOCKEN (-50 % erlittener Schaden beim nächsten Treffer). Token sind verbrauchbar, sichtbar und berechenbar.
DDII Ss 0005Im Laufe der Zeit hatte ich die Präzision in DD1 immer höher eingestellt, weil es wirklich gar keinen Spaß macht, wenn man das Ziel verfehlt. Ein Held mit geringer Präzision war jemand mit mindesten mit 80 % Präzision, während eine Präzision ab 90 % als hoch galt. Präzision ist mechanisch wichtig, aber sie kann auch frustrierend sein (Stichwort: X-COM 95 % Präzision). Ich mag es, dass man bei Card-Battlern meistens schon weiß, was der Angriff anrichten wird. Die Herausforderung besteht darin, den besten Angriff auszuwählen und zu berücksichtigen, wie er mit den gegnerischen Eigenschaften und anderen aktiven Bedingungen interagiert. Ein Beispiel dafür ist die übliche Taunt-Mechanik bei Kartensammelspielen – sie zwingt dich und deine Hand, ist aber völlig vorhersehbar. Die Abschaffung der Präzision hat die Dinge bereinigt, den Kampf ein Stück weit vorhersehbarer gemacht und uns gleichzeitig von der Falle befreit, eine Schlüsselmechanik zu haben, die im Widerspruch zu den Erwartungen der Spieler und dem Spielspaß steht. Natürlich wäre es uninteressant, wenn jeder Angriff immer treffen würde, deshalb haben wir noch Mechaniken wie Ausweichen und Blocken. Ausweichen ist zum Beispiel ein Token, das dem Kämpfer eine 50 %ige Chance gibt, dem nächsten Angriff auszuweichen, der Schaden zufügen kann. Dadurch wird die Entscheidung auf den Spieler verlagert: das Monster angreifen, das vielleicht ausweicht, oder einen sicheren Treffer bei einem anderen Monster landen, das das nicht tut? Die richtige Wahl hängt von der Kampfsituation und der Risikobereitschaft ab.

Natürlich wäre Darkest Dungeon nicht das, was es ist, wenn es nicht eine beträchtliche Menge an Zufälligkeiten und Varianz gäbe. Das Verbundenheits-System (Beziehungen und Helden, die lieber allein handeln) überlagert den Kampf, und das bedeutet, dass man nie 100 %ige Kontrolle hat.
 

Wie war es für euch, darüber zu entscheiden, welche bisherigen und welche neuen Charaktere in der Fortsetzung dabei sein sollten?

Chris:  Das war nicht einfach!  Ich denke, dass wir für Darkest Dungeon hervorragend aufgestellt waren, sowohl visuell als auch spielmechanisch. Es war also eine echte Herausforderung, diese Auswahl zu treffen. Ich startete eine Umfrage im Team, um herauszufinden, wo die allgemeinen Präferenzen lagen, aber letztlich war es eine Ermessensentscheidung, die auf mehreren Faktoren beruhte. Erstens brauchten wir Charaktere für alle Rollen und Ränge im Kampf. Zweitens gibt es einige Helden, die praktisch Markenzeichen sind und von den Fans (und auch von uns Entwicklern) schmerzlich vermisst werden würden. Drittens wollte ich, da wir die Hintergrundgeschichten der Helden erforschen, guten und abwechslungsreichen Storys den Vorzug geben. Und schließlich versuchten wir, die teureren Two-in-One-Produkte (die Klassen „Abomination“ und „Houndmaster“) in unserer Early-Access-Version zu vermeiden.

Ich fand es schon immer toll, wie das Street Fighter-Franchise einen Kern von wiedererkennbaren Charakteren beibehielt, um diesen mit jeder neuen Version geringfügig zu modifizieren. Genau das ist unser Ziel für DD2!  Während der Early-Access-Phase und (hoffentlich auch) darüber hinaus werden wir sowohl neue als auch bekannte Helden hinzufügen.
DDII Ss 0017

Das Spiel beginnt den Early Access mit nur einem Akt, aber im Laufe der Zeit sollen dann vier weitere folgen – jeder mit einem eigenen Bosskampf. Wie lange wird es dauern, bis alle fünf Akte erscheinen, und ist die Story von Darkest Dungeon II dann abgeschlossen?

Chris:  Unser fantastischer Sprecher Wayne June ist wieder mit dabei. Aber dieses Mal leiht er einer anderen Figur seine Stimme: Dem „Academic“. Nach jedem Sieg über einen der Endbosse sehen die Spieler eine neue Zwischensequenz des Story-Kapitels und der Vorrat an Erzählungen wächst mit jedem Durchlauf. Der Zusammenhang zwischen dem Spieler, der Spielwelt und dem Academic wird im Laufe der Zeit immer deutlicher, und die Story wird mit der Veröffentlichung unserer Version 1.0 abgeschlossen.

Tyler: Darkest Dungeon war elfeinhalb Monate im Early Access. Wir halten ein Jahr für ein gutes Arbeitsziel: Das ist eine gute Zeit, um das Spiel zu erweitern und zu verfeinern, aber der Early Access sollte kein ewiger Entwicklungszyklus werden. Wenn man ihn nicht zeitlich eingrenzt, kann er sich meiner Meinung nach eher kontraproduktiv auf das Spiel auswirken. Ob es am Ende genau 12 Monate oder 13 oder 16 im Early Access bleibt, wissen wir noch nicht. Nach unserer Faustregel sollte die erste Early-Access-Version etwa 60 bis 70 % des gesamten erwarteten Inhalts der Vollversion umfassen. Die genauen Zahlen können natürlich variieren.

Wenn die Spieler mehr Inhalte wollen, würden wir gerne auch DLCs für dieses Spiel machen. Die DLCs waren damals eine tolle Möglichkeit, das Hauptspiel zu erweitern und die von uns erstellten Spielzeuge auszuprobieren. Wir wären sehr glücklich, wenn es für DD2 die gleiche Nachfrage gibt.
DDII Ss 0014

Für mich war das Faszinierendste an Darkest Dungeon, dass es einen daran erinnerte, dass niemand perfekt ist, auch nicht die Protagonisten unserer Videospiele. Aber das Spiel war so düster, dass es den Helden wenig Raum ließ, sich heldenhaft zu fühlen. Hattet ihr das Gefühl, dass das erste Spiel zu trostlos war, und wenn ja, habt ihr das in der Fortsetzung berücksichtigt?

Chris:  Unsere zentrale Idee bei Darkest Dungeon war die Untersuchung des Heldentums durch den Kontrast.  Die besonderen Momente sollten selten sein, damit sie wirklich besonders sind – anders als bei einer eher traditionellen Machtfantasie. Vor diesem Hintergrund war die Trostlosigkeit von DD1 eine großartige Leinwand, auf die man einige heldenhafte Glanzlichter setzen konnte.  

DD2 ist keine Kurskorrektur, sondern hat einfach nur einen ganz anderen Fokus: Beziehungen zwischen fehlbaren Menschen, die sich im Laufe einer Reise entwickeln. Wir fragen uns, wie sich Eifersucht, Freundschaft, Begierde und Groll in Situationen auswirken würden, in denen der Überlebenskampf eigentlich schon genug Stress bereitet.  Es gibt einige großartige Momente, in denen sich Charaktere in einer Beziehung unvorhersehbar verhalten können – ein Liebhaber kann sich in Gefahr begeben, um seinen Partner zu retten, obwohl er bereits schwer verwundet ist!  Dies ist für den Spieler äußerst suboptimal und kann zu einer unmittelbaren Krise führen, aber Situationen wie diese sind genau das, was DD2 ausmacht.

 

Worin unterscheidet sich Darkest Dungeon II von Darkest Dungeon?

Chris:  Darkest Dungeon ist wie eine mittelalterliche Eishockeytrainer-Simulation. Man hat einen großen Kader, rotiert die Mannschaft, setzt Problemspieler auf die Bank und investiert in seine besten Akteure.  

Darkest Dungeon II ist wie eine Reise ins Mittelalter.  Man reist zusammen mit vier Kindern in einem Kleinbus – sie streiten sich, sie necken sich, sie wollen Eis an der Tankstelle, und bis man sein Ziel erreicht hat, muss man versuchen, die Nerven zu behalten.

Tyler: In mancher Hinsicht ist das Spiel größer geworden, in anderer wiederum kleiner. Es folgt thematisch dem ersten Titel, ist jedoch eine eigenständige Erfahrung. Ich bin gespannt, was die Leute davon halten.

Chris:  Ich auch.

 

Ihr könnt dem Early Access von Darkest Dungeon II noch heute über den Epic Game Store beitreten.