Ein exklusives Interview mit dem Team hinter dem kommenden Food-Fighter RAWMEN über die Arbeit an ihrer Leidenschaft
Dustin Mattock hat es kapiert. Wenn andere das Debüt seines Independent-Studios RAWMEN als ein Werk der Liebe bezeichnen, ist er sich bewusst, dass dies als Kompliment für seine Arbeit gemeint ist, und er versteht es auch als solches. Und seine Freunde wissen, dass er und Eric Keshishian, das andere Gründungsmitglied des Studios, mehr als fünf Jahre ihres Lebens – und einen großen Teil ihres damaligen Vermögens – in diese kuriose Vision eines Arena-Shooters investiert haben, in der sich leicht bekleidete Suppenkasper gegenseitig den ersten Gang des Abendmenüs entgegenschleudern.
RAWMEN, 2019 angekündigt und bald exklusiv für den PC im Epic Games Store verfügbar, ist das Erstlingswerk von ANIMAL, einem Studio mit Sitz in Los Angeles, Kalifornien, das ursprünglich als Kreativdienstleister gegründet wurde und Kunden wie Google und andere große Unternehmen der Medien- und Techbranche belieferte – damals aber keinerlei Ambitionen im Bereich der Spieleentwicklung hatte.
Doch es gibt eine Sache, die niemand sonst über diesen Begriff Werk der Liebe weiß, außer sie haben tatsächlich unter der Entwicklung mitgelitten, ohne dem Freundeskreis, der Familie und anderen geliebten Menschen so richtig erklären zu können, warum sich diese kreative Vision wirklich gelohnt hat.
„Die Entwicklung eines Spiels“, sagte Mattock, selbst bei einem, das oberflächlich betrachtet so albern erscheint wie RAWMEN, „ist hart. Es war das Schwierigste, was ich je gemacht habe.“
„Es ist definitiv härter als jeder Job oder jede Aufgabe oder jedes Projekt, an dem ich jemals in meinem Leben gearbeitet habe“, fügte Keshishian hinzu.
RAWMEN, wenn es der liebe Gott so will und die Suppe nicht überbrodelt, wird voraussichtlich im späten Frühling oder Sommer fertig sein. Mattock, Keshishian und ihre acht bis zehn Vollzeitmitarbeiter bei ANIMAL versuchen wirklich nicht, sich mit den Neuigkeiten über ihr Spiel zu verstecken. Sie haben einfach verstanden, dass sich ihr Debüt nicht nur optisch von anderen Spielen abheben muss, sondern dass es hochpoliert und ausbalanciert sein muss, wenn es sich auf dem hart umkämpften Markt behaupten will, auf dem es an Alternativen für schrägen und farbenfrohen Spielspaß nicht mangelt. Wenn man sich mit den beiden Künstlern unterhält, hat man das Gefühl, dass sie nicht wissen, wie sie mit dieser Errungenschaft umgehen sollen, wenn sie über die endgültige Auslieferung von RAWMEN und damit über die Einlösung ihrer Versprechen berichten.
RAWMENs Versprechen: chaotischer Spaß, aber niemals gnadenlos
Das Spiel wurde erstmals auf der E3 2019 vorgestellt und RAWMEN war ziemlich unerwartet einige Jahre nach der Gründung von ANIMAL zum Leben erwacht. Mattock und Keshishian gründeten das Studio im Jahr 2015, nachdem sie sich während der Arbeit bei einer Kreativagentur in Los Angeles kennengelernt hatten und Freunde geworden waren. Damals arbeiteten sie an Projekten wie McDonald's Happy Meals, Disneys Parks und Resorts sowie an verschiedenen HBO-Serien.
„Während unseres gesamten Berufslebens haben wir viel zusammengearbeitet und waren bei unterschiedlichen Agenturen beschäftigt. [Mattock] hat mich bei vielen Projekten eingebunden“, so Keshishian. Beide sind ausgebildete Grafikdesigner und haben ihren Abschluss am ArtCenter College of Design in Pasadena gemacht.
ANIMAL war zunächst eine Partnerschaft und sie arbeiteten weiterhin für dieselbe Art von Kunden, für den Keshishian und Mattock bereits nach der Designschule in den frühen 2000er Jahren in den Agenturen tätig waren. Bald wurde den beiden klar, dass die Schwergewichte der Branche – wie Google, Disney und die Big Player der Spielebranche wie Ubisoft, Logitech und Zynga – für die sie in ihrer Agenturzeit gearbeitet hatten, diese Arbeit immer häufiger an interne Teams übertrugen, anstatt sie an externe Dienstleister zu vergeben.
„Endlich konnten wir Aufträge ablehnen, von denen wir nicht wirklich begeistert waren oder die uns einfach nicht gefielen“, berichtete Mattock über die Anfänge von ANIMAL. „Es lief eine Zeit lang wirklich gut, aber wie ich schon angemerkt habe, vollzog sich der Wandel sehr schnell, als uns klar wurde, dass die Projekte [der ehemaligen Kunden] intern abgewickelt wurden und sie nicht länger an Agenturen wie uns herantraten. Sie stellten einfach intern ihre eigenen Teams zusammen.“ Es war für beide Designer auch unangenehm, als sie erkannten, dass ihre Geschäftsbeziehungen allmählich belastet wurden, wenn sie nach Aufträgen fragen und Rechnungen an Leute stellen mussten, die sie als Freunde betrachteten.
Es ging nicht gerade um „friss oder stirb“, aber Mattock und Keshishian bemerkten, dass sie lieber ein eigenes Projekt entwickeln wollten, das sie auch an andere verkaufen konnten, anstatt sich auf die Aufträge ihrer früheren Kontakte und Kollegen zu verlassen.
„Viele unserer Kunden sind unsere Freunde, und daher plagte uns ein schlechtes Gewissen, wenn wir sie mit Anfragen bedrängten“, gab Mattock offen zu. „Wir hatten eine richtig gute Beziehung zu Google, und sie waren ein toller Kunde, aber wir mussten dort immer wieder anfragen: ‚Hey, entwickelt ihr vielleicht gerade etwas, bei dem ihr Hilfe braucht?‘ Und das fühlte sich nach einer Weile einfach seltsam an.
„Uns interessierte eher: ‚Hey, machen wir doch etwas, bei dem wir keine externen Jobs mehr an Land ziehen müssen‘“, und daraus entstand dann RAWMEN.
Eine seltsame Idee zur Mittagszeit umsetzen
Angeblich saßen Mattock und Keshishian beim Mittagessen im Tsujita Annex, einem Ableger des renommierten Nudelladens, der vor mehr als 20 Jahren in Japan gegründet worden war und 2011 sein erstes amerikanisches Lokal in Los Angeles eröffnet hatte. Eigentlich war RAWMEN ein völlig anderes Spiel, eine Art zielloser, auf Suppe basierender Tapper (erinnert ihr euch an diesen Arcade-Klassiker aus den 1980ern?), bei dem der Spieler die Tische so schnell wie möglich abfertigen muss, damit sein Restaurant mehr Geld verdient.
Dieses Konzept existierte nicht sonderlich lange, aber Keshishian erzählt immer noch gerne von dieser Idee, weil sie so abgedreht war und auch einigermaßen erklärt, wo sich ANIMAL zu dieser Zeit in Sachen Kreativität bewegte. Sie waren immer noch für Kunden und Agenturen tätig, probierten aber gleichzeitig vieles aus und waren noch nicht ganz sicher, ob sie ihr eigenes Videospiel entwickeln sollten.
„Es [das Spiel] war ein irgendwie isometrischer Top-Down-Singleplayer, aber es war ein bisschen absurder, denn dem Prinzip nach schlüpfte man in die Rolle eines Shamisen-Spielers [das ist ein traditionelles japanisches Saiteninstrument, das einem Banjo oder einer Gitarre ähnelt], und je schneller man spielt, desto schneller essen die Leute in der Umgebung“, so Keshishian. „Und sie sollen das Restaurant schnellstmöglich wieder verlassen, damit neue Gäste kommen können. […] Es war echt ein wirklich dämliches Konzept. Aber wir dachten nur: ‚Ja, das war witzig, probieren wir das mal.‘“
Das ursprüngliche Konzept von RAWMEN wurde irgendwann verworfen, aber Keshishian und Mattock kamen immer wieder darauf zurück, es war so eine Art Muse, weil sie das Prinzip, Suppe durch die Gegend zu spritzen, vom optischen Standpunkt aus so lustig fanden. „Es sollte sich darum drehen, Suppe zu durch die Gegend schleudern“, erinnerte sich Keshishian. „Lassen wir das mit dem Bedienen einfach weg. Und wir dachten uns: ‚Hey! Das will ich machen.‘“
Es zeigt auch einen spielerischen Wert, der schon fast von Anfang an Teil von RAWMEN war. Eigentlich handelt es sich um einen Arena-Shooter im Turnierstil, wie Unreal, mit dem Mattock (38 Jahre alt) und Keshishian (41) aufgewachsen sind. Aber die beiden möchten, dass die Spieler auch dann noch Spaß haben, wenn sie scheitern, in einen Hinterhalt geraten oder immer wieder von jemandem plattgemacht werden, der die Shooter-Basics besser beherrscht. Immerhin ist es eine Essensschlacht, und das damit verbundene Chaos gehört zum Spaß einfach dazu, egal ob man gewinnt oder verliert.
Ein paar Grundlagen, die jedem eine Chance auf den Sieg geben
Die wichtigste Waffe bei RAWMEN ist natürlich ein großer Topf voller Suppe, und die Spieler tunken eine Schöpfkelle hinein und kleckern sich gegenseitig mit saftigen Nudel- und Brühenspritzern voll. Es ertönen Furzgeräusche in Hülle und Fülle und für die anpassbaren Charaktere gibt es eine große Auswahl an Stimmen, die allesamt im Wario-esken Simlisch gehalten sind und Überraschung, Niederlage oder Triumph zum Ausdruck bringen.
Eine wichtige Gameplay-Methode ist es, auf einer Suppenspur zu gleiten, um schnell in ein Feuergefecht zu gelangen (oder es zu verlassen). Der Topf dient dabei als Schild (wenn ihr ein Gamepad benutzt, könnt ihr dazu den rechten Bumper drücken). Keshishian und Mattock wollten bei ihrem Spiel von Anfang an Controller unterstützen, damit auch diejenigen, die nicht so viel Erfahrung mit Maus und Tastatur haben, sofort ins Spiel einsteigen können. Die Suppenretter von RAWMEN können nicht nur Barrieren in Form von Crackern errichten, um dahinter in Deckung zu gehen, sondern können sich den Topf auch über den Kopf stülpen, wenn sie gerade bombardiert werden, um einen Angriff abzufangen.
Dann wird der Charakter mit einem Schildbalken ausgestattet, und der Schaden wird abgewehrt, bis der Topf zerbricht. Es ist ein netter Konter für die Spieler, die nicht von der anderen Seite der Karte aus beschossen werden oder in einem Wettbewerb verlieren wollen, bei dem es nur darum geht, wer wen zuerst gesehen hat.
„Diese Idee kam uns, als ich sagte: ‚Mannomann, ich kann diese Sch**** nicht ausstehen, wenn ich ein Turnierspiel oder ein sehr hart umkämpftes Spiel spiele‘“, sagte Mattock, obwohl ihm das Gameplay oder der visuelle Aspekt eines erstklassigen Multiplayer-Titels wirklich gefiel. „Ich spielte DOTA 2 mit Eric und wir spielten auch Overwatch zusammen – und ich wurde angepöbelt, weil ich nicht wusste, wie man Mercy spielt“, sagte Mattock. „Wir sagten uns: ‚Hey, wir sollten ein Spiel machen, das nicht in dieser Umgebung angesiedelt ist. Wir können ein Spiel entwickeln, bei dem das alles gar nicht enthalten ist.‘“
„Wir wollen die Leute nicht dafür bestrafen, dass sie schlecht spielen“, fügte Keshishian hinzu. „Das war der Grundgedanke dahinter. Wir wollten, dass die Leute trotzdem Spaß haben, aber ihre Teamkollegen sollten nicht das Gefühl haben, dass sie ihnen das Abenteuer vermiesen. Dieses Motto zog sich wie ein roter Faden durch die Entwicklung der Spielmechanik, der Waffen und der Spielerfahrungen.“
Es gibt natürlich ein ganzes Arsenal an besonderen Waffen, mit denen die Spieler nicht spawnen können und die auch nicht zu ihrer Ausrüstung gehören, die sie aber auf den Karten aufsammeln können. Da ist zum Beispiel eine Torte, die man im Nahkampf benutzen kann (man drückt sie dem Gegner ins Gesicht, ist doch klar). Ihr könnt einen gefrorenen Donut wie eine Granate werfen, aber er explodiert nicht, sondern verursacht einen Flächenschaden, der Gegner betäubt und durch die Luft katapultiert. Ein Kloß dient als Wurfwaffe und funktioniert so ähnlich wie eine klebrige Granate. Ein Matzeknödel, das an einer Gabel aufgespießt ist, kann sowohl als keulenartige Nahkampfwaffe als auch als Zielsuchrakete eingesetzt werden. Die Bratling-Gun ist ein Fleischwolf, der ein Trommelfeuer aus Würstchen verschießt, begleitet von einem surrenden Rotationsgeräusch. Und dann ist da noch die Ohrfeigen-Makrele (Smackerel Mackerel), deren Zweck sich schon aus ihrem Namen ableiten lässt – diesen toten Fisch kann man seinen Gegnern über die Birne hauen.
Die tödlichste und chaotischste aller Waffen ist eine Tomate – ihr könnt auf sie springen und eure Gegner mit so etwas wie einem explosiven Dampfwalzenangriff überrollen. Wenn ihr anschließend den rechten Trigger oder die Feuertaste drückt, löst ihr einen hocheffektiven Platsch-Angriff aus, bei dem blaue und gelbe Schadenswerte über euren überrumpelten Gegnern in der Ferne erscheinen. Je näher ihr bei RAWMEN neben euren Gegnern steht, desto mehr Schaden verursacht ihr, und damit wird der ganze Wettkampf natürlich noch schmuddeliger und erbitterter. Wenn alles nichts hilft, könnt ihr euch immer noch aufrichten und mit eurer Schöpfkelle einen Schlagabtausch austragen – dann habt ihr zumindest eine gewisse Chance, euren Kontrahenten umzuhauen.
„Wir wollten verhindern, dass die Leute sagen: ‚Okay, ich erstelle meinen Charakter genau so. Das ist die beste und stärkste Waffe und ich werde niemals eine andere benutzen‘“, erklärte Mattock. „Wir haben uns dabei an die Erfahrungen aus Mario Kart gehalten; bei Mario Kart spielt der Zufall eine gewisse Rolle und man kann sich die Sachen nicht wirklich aussuchen. Das Glück hängt von der Auslosung ab.
„Wir wollen mehr auf den Zufall setzen und nicht auf Sachen, die man einstellen oder im Voraus festlegen kann“, fügte er hinzu. „Man kann vieles immer noch selbst entscheiden, aber nicht in dem Maße wie bei anderen Spielen, bei denen alle die gleichen Ausrüstungen bekommen.“
Neue Waffen bringen Würze – aber auch Komplexität
Es gibt noch einen weiteren Grund für die Spezialwaffen, und zwar der Spaßfaktor, den sie ins Spiel bringen. Bei den ersten Builds des Spiels, die man auf der E3 im Livestream gezeigt bekam und die als einzigartiges Indie-Projekt vom Mainstream gefeiert wurden, hatten die Charaktere noch sehr rudimentäre Kampfeigenschaften. „[Während] unserer ersten Gespräche mit früheren Publishern zeigte sich, dass ihnen ein Großteil unseres Spiels gut gefiel und sie Spaß damit hatten – sie hielten es für grandios, aber sie dachten auch, es sei etwas einfach gehalten, weil sich alles nur um Suppe drehte“, so Keshishian. „Sie waren der Meinung, es sei nicht vielschichtig genug, um die Menschen zu fesseln.
„Also haben wir uns all diese abgedrehten, verrückten und zufälligen Gegenstände und Waffen einfallen lassen und geprüft, was davon überhaupt Sinn macht und was wir in das Spiel implementieren können“, sagte er. „Von dem Moment an wollten wir die wirklich spaßigen Sachen ausprobieren, aber auch sicherstellen, dass wir nicht nur ein Spiel für Deathmatch-Fans entwickeln. Wir wollen auch die Spieler ansprechen, die gern eine Unterstützerrolle spielen.“
Der neueste Build des Spiels, mit einer öffentlich zugänglichen Beta-Version im September 2022, ist Version 0.94. Dieser Build umfasst drei Modi: Brühe-Schlacht (Broth Battle), im Grunde ein Team-Deathmatch; Fischsuppe-Anspruch (Claim Chowder), eine Dominanz-Variante, mit einem riesigen, überquellenden Topf mit Meeresfrüchten in der Zone; und Fleischbällchen (Meatball), ein Capture-the-Flag-ähnlicher Modus, bei dem die Spieler um einen Klumpen Hackfleisch kämpfen und damit zum Ziel ihres Teams rollen. Ein sarkastischer Ansager vom Schlage eines Bill Burr sorgt mit seinen Witzeleien und Kommentaren für gute Laune. In einem Spiel hörte ich ihn sogar seine ASMR-Technik üben.
Ein Modus aus den früheren Builds wurde leider gestrichen, weil das Ausbalancieren zu lange dauerte: Top-RAWMEN, im Grunde genommen ein King-of-the-Hill-Match. „Dieser Modus könnte noch ins Spiel kommen“, verriet Mattock. „Ich finde nur, dass er zuvor weiter optimiert werden muss.“
„Wir hatten eine Menge Spaß mit diesem Spielmodus“, gab Keshishian zu. „Aber man kann den Gelegenheitsspielern nur schwer die Mechanismen vermitteln, die wir als erfahrene Gamer bereits in- und auswendig kennen. [Top-RAWMEN] ist im Prinzip ein Spielmodus, bei dem man mit einer Rakete fliegen oder mit einer Bombe springen kann, aber viele jüngere Spieler kennen sich mit solchen Sachen nicht wirklich aus. Es ist nicht in ihren Genen verankert. Unser erster Versuch, ihnen diese Sachen zu vermitteln, schlug fehl. Daher wollen wir uns lieber auf unsere Stärken konzentrieren und keinen Spielmodus forcieren, der sich einfach nicht fertig anfühlt.“
Eine bescheuerte Idee, die sie trotzdem an den Rand des Abgrunds brachte
In den vergangenen fünf Jahren wurde fast jeder Aspekt von RAWMEN weiterentwickelt und verändert – bis auf den Namen. Das ist auch so geblieben, da sich Keshishian und Mattock schon in der frühen Konzeptionsphase mit dem Wortspiel angefreundet hatten, in der eine Gruppe spärlich bekleideter ungehobelter Männer (Raw Men) (und Frauen, um fair zu sein) – in eine lächerliche Essensschlacht verwickelt sind. (Die Charakteranpassung ist ein wichtiger Teil von RAWMEN, auch wenn die Spieler keine Ausrüstungen übernehmen können und eher auf einen allgemeinen Shooter-Spielstil setzen müssen).
Aber beide Schöpfer räumen ein, dass sie im Laufe der Jahre einem gewissen Erwartungsdruck von Freunden und der Familie ausgesetzt waren, die immer wieder fragten: „Warum ist das Spiel noch nicht fertig?“ oder „An was arbeitet ihr wirklich?“. Aber der Publisher tinyBuild, der ihr Studio 2021 gekauft hatte, wahrte stets einen respektvollen Abstand und vertraute darauf, dass ANIMAL selbst am besten wusste, wann RAWMEN fertig ist.
„Man kann nur schwer beschreiben, wie Spiele entwickelt werden“, sagte Mattock. „Und ... dann existiert da noch dieses große damit verbundene Tabu, dass die Leute denken: ‚Oh, es muss Spaß machen, ein Spiel zu entwickeln‘ – aber sie verstehen nicht, wie wild es dabei wirklich zugeht. Es war eine schwere Zeit, in der das Bankkonto leergefegt wurde und alle Freundschaften in Mitleidenschaft gezogen wurden, aber die Leute sagen immer: ‚Ach, das ist doch keine große Sache‘“.
„Derzeit arbeiten wir zwischen 14 und 16 Stunden pro Tag“, fügte Keshishian hinzu. „Es ist ziemlich zermürbend, wenn andere Leute diesen Aufwand nicht verstehen und sagen: ‚Oh, du hast richtig Spaß bei der Arbeit an deinen Spielen.“ Für einen Außenstehenden sieht alles ganz anders aus – und er kann den Druck nicht verstehen, der bei der Arbeit auf einem lastet.“
Die Entwicklung von RAWMEN hat auch so lange gedauert, weil ANIMAL ein kleines Studio ist. Maximal arbeiteten zwanzig Teammitglieder an dem Spiel und durchschnittlich waren es während der gesamten Entwicklungszeit von RAWMEN etwa zehn. Doch die grafische Gestaltung – und als Grafikdesigner wollten Keshishian und Mattock natürlich ihr Bestes geben – lässt auf ein Triple-A-Spiel schließen, bei dem ein Publisher problemlos mehr Mitarbeiter für die Entwicklung abstellen kann, um den Veröffentlichungstermin in einem bestimmten Quartal einzuhalten.
„Wir hatten Probleme mit dem Look unseres Spiels, aber ich denke, dass es gute Probleme waren“, sagte Mattock. „Mit einigen der [von ANIMAL angeheuerten] Charaktermodellierer hatten wir wirklich Glück, denn darunter waren auch Leute, die Erfahrung mit Triple-A-Modelling und ähnlichen Dingen hatten. Ich finde, dass das Spiel an sich schon sehr hochwertig aussieht und man leicht übersehen kann, dass es eigentlich ein Indie-Spiel ist. Man wird wie ein großes Studio behandelt, aber eigentlich ist da ein Kerl in Südamerika namens Lucas, der gerade mit Hochdruck an der Entwicklung einer Waffe arbeitet. Es ist nicht so wie bei Call of Duty oder einem ähnlich großen Titel.“
Irgendwann „erkannten unsere Familie und Freunde, dass wir mit der Entwicklung zu kämpfen hatten und dass uns der Druck sehr zu schaffen machte“, sagte Keshishian unverblümt. Die beiden Entwickler arbeiteten etwa zweieinhalb Jahre lang ausschließlich an RAWMEN, vernachlässigten ihre anderen Kunden, schraubten von morgens bis abends an dem Spiel und glaubten, wenig vorweisen zu können. In finanzieller Hinsicht belastete es beide und sie mussten sogar eine Art Reset-Schalter für ihre Freundschaft betätigen, denn ihre Arbeitsstile waren laut Keshishian sehr unterschiedlich, obwohl sie sich in der Vergangenheit gut ergänzt hatten.
„Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es eine Belastungsgrenze gab, denn Dustin ist mein bester Freund, uns verbindet eine enge Freundschaft“, so Keshishian. „Aber wir waren an einem Punkt angelangt, an dem wir dachten: „Verdammt! Wir gehen uns gegenseitig auf die Nerven und stoßen an unsere mentalen Grenzen. Das wirkt sich wirklich negativ auf uns aus – und das möchte ich niemals wieder erleben.‘“
Indie-Publisher tinyBuild wirft eine Rettungsleine aus
Neben den langen Tagen, die von der frühen Entwicklung von RAWMEN beherrscht wurden, ging auch das Leben außerhalb des Büros weiter und forderte von den ANIMAL-Gründern ebenfalls seinen Tribut. Mattocks Vater wurde krank. Er lag über ein Jahr lang im Krankenhaus und verstarb im Juli.
„Es war unglaublich schwer, den Spagat zwischen der Arbeit und dem Krankenhaus zu meistern, wenn ich gebraucht wurde, oder um meinen Vater zu besuchen“, sagte Mattock über die Bewältigung von zwei extremen und sehr persönlichen Prioritäten, die beide erforderten, dass man von einem Augenblick auf den anderen alles stehen und liegen lässt.
Mattock gestand fast schon kleinlaut ein, dass er das Klischee eines mittellosen Künstlers verkörpert, der als Erwachsener noch bei seinen Eltern lebt (auch wenn er ihnen Miete zahlt). Das musste er jedoch vor dem Tod seines Vaters eine Zeit lang aussetzen – auch wenn er offen zugab, dass er vielleicht wieder als Freiberufler arbeiten müsste, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
„Es gab eine Zeit, da hatte ich nur noch etwa 700 Dollar auf meinem Bankkonto“, sagte Mattock, und dabei war ihm nicht zum Lachen zumute. „Meine Steuerrückzahlungen haben mich immer wieder gerettet. Rückblickend kann ich immer noch nicht fassen, dass ich es geschafft habe, das Geld zu strecken. Dadurch habe ich gelernt, welchen Wert das Geld wirklich hat. Ich wurde beispielsweise von Leuten angesprochen, die mich ins Café eingeladen haben und für mich mitbezahlen wollten, und ich musste ablehnen, weil ich das Geld nicht hatte, um überhaupt dorthin zu kommen.“
tinyBuild, der Publisher des 2017 erschienenen Hello Neighbor und vielen anderen Indie-Spielen, wirft eine Art Rettungsleine aus, als es ANIMAL 2021 kauft. Aber es war keine reine Bargeldtransaktion. Trotzdem können sich Mattock und Keshishian auf einen lukrativen Geldsegen freuen, wenn alles klappt. Alex Nichiporchik, der Geschäftsführer von tinyBuild, nannte es damals eine „Kaufanstellung“, und dazu gehörten noch neun weitere Studios, die der Publisher zwischen November 2020 und August 2022 übernahm.
Dennoch nahm die Investition von tinyBuild in das Studio und das uneingeschränkte Vertrauen in die Ideen einen großen Teil des Drucks, unter dem die Entwickler standen. „tinyBuild ist ein fantastischer Partner“, so Mattock. „Größtenteils lassen sie uns bei der Entwicklung völlige Entscheidungsfreiheit. Sie helfen uns, wo es nötig ist, aber sie drängen uns zu nichts. Sie sagen eher: ‚Hey, das Spiel ist schon verrückt genug.‘ Und nicht: „Ihr solltet noch einen Modus mit Rennwagen einbauen.‘“
Die beiden Entwickler sind sich aber darüber im Klaren, wie schwer es ist, sich als reines Multiplayer-Spiel auf einem Markt zu behaupten, auf dem es an ähnlichen Titeln nicht mangelt, egal wie ungewöhnlich ihre Vision auch sein mag.
„Das merkt man definitiv“, so Mattock. „Das ist immer ein Grund zur Sorge. Aber wir hoffen, dass sich unser Charakter durchsetzen wird. RAWMEN ist definitiv eine andere Art von Spiel mit einer einzigartigen Persönlichkeit, die schwer zu definieren ist. Es fühlt sich an wie ein Spiel, das sich im Gegensatz zu anderen selbst nicht zu ernst nimmt, aber daran ist nichts auszusetzen. Es hat den Anschein, dass heutzutage jeder – mich eingeschlossen – große Lust auf Spiele hat. Es ist immer ein Grund zur Sorge, weißt du?“
Für RAWMEN gibt es noch kein Veröffentlichungsdatum, aber wenn man sich mit den Mitbegründern von ANIMAL unterhält, gewinnt man den Eindruck, dass sie nicht an der Feinabstimmung sparen oder das Perfekte zum Feind des Guten erklären wollen.
Sie haben verstanden, dass eine Pressemitteilung bezüglich einer Veröffentlichung eine große Verpflichtung ist. Angesichts all dessen, was sie bisher durchgestanden haben, wollen Mattock und Keshishian ihr Entwicklungsdebüt nicht mit einer voreiligen Ankündigung abschließen und sich dann dem Verdruss einer Verzögerung stellen, während sie sich um die noch nicht vollständig ausgereiften Elemente kümmern. Außerdem ist RAWMEN zwar ein reines Multiplayer-Spiel, aber Keshishian und Mattock haben eine Art Hintergrundgeschichte eingebaut, die alles miteinander verbindet. Das macht schließlich den halben Spaß aus, wenn man so ein abgefahrenes Spiel entwickelt.
„Bei diesem ganzen Projekt spielt der Zufall eine große Rolle – und auch im Spiel ist er sehr, sehr wichtig. Wir haben aber auch eine Hintergrundgeschichte, die noch nicht ganz ausgereift ist“, so Mattock. Ich glaube, dass sie dem Spiel wirklich gutgetan hat, aber sie hat uns auch vor einige Schwierigkeiten gestellt, denn wenn ein Problem auftaucht, sagt man schnell: ‚Oh, dann machen wir das einfach mal.‘ Aber ergibt das aus kreativer Sicht einen Sinn für die Story? Passt das zur Hintergrundgeschichte?“
Wenn RAWMEN veröffentlicht wird, wird es für PC-Spieler exklusiv im Epic Games Store erscheinen – aber es wird auch Versionen für Nintendo Switch, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One und Xbox Series X geben.