Zurück zu den Anfängen – mit der „Legends of the Zone“-Version der S.T.A.L.K.E.R.-Trilogie

24.6.2025
Von Phil Iwaniuk, Autor

Seit gut 20 Jahren lautet eine der wichtigsten Fragen im Bereich des Gamings: Was sollen Entwickler mit dem stets wachsenden Umfang von Spielwelten anstellen, der durch technologische Fortschritte ermöglicht wird? Die Spiele der S.T.A.L.K.E.R.-Reihe haben eine der spannendsten Antworten auf diese Frage geliefert – und jetzt sind die endgültigen Versionen dieser Titel mit dem Paket Legends of the Zone im Epic Games Store verfügbar. 

Dieses Paket umfasst drei Horror-Shooter in Ego-Perspektive, die mit dem neuen Ausmaß von Spielwelten, das in den Nullerjahren möglich wurde, eine einzigartige Atmosphäre schaffen. Jeder dieser Shooter spielt in einem verstrahlten Ödland, in dem lebensgefährliche Anomalien und Mutanten lauern, aber auch reichlich Beute zu holen ist – zumindest für amoralische Söldnertypen, die zäh oder töricht genug sind, diese Gegend zu erkunden. 

Die Sperrzone, in der S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl (2007), dessen Nachfolger S.T.A.L.K.E.R.: Clear Sky (2008) sowie S.T.A.L.K.E.R.: Call of Pripyat (2009) alle angesiedelt sind, unterscheidet sich von vielen anderen verstrahlten Ödland-Spielwelten. Dies verdankt sie einer Vielzahl an Einflüssen. 

Der offensichtlichste davon ist natürlich die Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986, bei der ein Konstruktionsmangel des Reaktors bei einem routinemäßig simulierten Stromausfall zu einer Kernschmelze und dadurch zu Explosionen mit globalen Auswirkungen führte. Die Folgen dieser Explosionen, durch die radioaktives Material in die Atmosphäre geschleudert wurde, betrafen weite Teile Europas. Bis heute besteht um Tschernobyl eine 4.300 km² große Sperrzone. Experten zufolge kann es zwischen 3.000 und 20.000 Jahre dauern, bis dieses Gebiet wieder von Menschen bewohnbar ist. 

Inzwischen holt sich die Natur das Gebiet zurück und in den Gebäuden finden sich immer noch Erinnerungsstücke an die ehemalige Sowjetunion. Das alles macht einen einzigartigen Reiz aus, der einst pro Jahr mehr als 70.000 Touristen angezogen hat. Diese Sperrzone eignet sich also ziemlich gut als Setting eines düsteren Shooters.
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Das Entwicklerteam bei GSC Game World wurde außerdem von dem Roman Picknick am Wegesrand (1972) von Arkadi und Boris Strugatzki inspiriert, in dem Außerirdische nach einem Besuch auf der Erde verseuchte Zonen voller seltsamer und gefährlicher Artefakte zurückgelassen haben, die physikalischen Gesetzen zu trotzen scheinen. (Der Buchtitel ist eine Analogie, die jene Menschen, die diese unerklärlichen Phänomene untersuchen, mit Tieren vergleicht, welche die Überreste des titelgebenden Picknicks durchforsten.)

„Picknick am Wegesrand“ diente nicht nur als Vorlage für den Film Stalker (1979 gedreht von Andrei Tarkowski), sondern auch als weitere Inspirationsquelle für GSC. In diesem Film gibt es Söldner, die sich als Kundschafter (sogenannte Stalker) ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Leute mitten in die verseuchte Zone zu führen, wo sich ein Ort befinden soll, an dem alle Wünsche in Erfüllung gehen. 

Fast 20 Jahre nach der Veröffentlichung von S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chornobyl(und zahllosen anderen postapokalyptischen Spielen) fühlt sich das Setting der S.T.A.L.K.E.R.-Reihe noch immer einzigartig und beklemmend an. Und das ist wichtig, weil ein wesentlicher Teil davon, was den Spielspaß in diesen Titeln ausmacht, ganz einfach nur darin besteht, an solch einem Ort zu leben.

Im Jahr 2007 waren offene Spielwelten noch ein wahrer Ort des Staunens. Damals wussten die Spieler nicht, was Entwickler mit all diesen neu verfügbaren Gebieten anstellen würden, also waren Titel wie Shadow of Chornobyl und Crysis eine Reise ins wirklich Unbekannte. 

Doch während es in „Crysis“ Videosequenzen mit halbwegs vorgefertigtem Gameplay auf einer größeren Weltkarte gab, schlug S.T.A.L.K.E.R. einen anderen Weg ein. Seine besten Features wurden nicht so gestaltet, dass sie alle gleichzeitig um eure Aufmerksamkeit buhlen (anders als die vielen Titel aus dieser Zeit, die voller überladener Minikarten sind). Es fühlt sich hart und melancholisch an, aber auf eine bemerkenswert unaufdringliche Weise. Seine Qualitäten zeigen sich nicht einfach von selbst – ihr müsst losziehen und sie finden. Wenn ihr dieses Wagnis eingeht, erwarten euch unkonventionell schöne Aussichten, faszinierende Anomalien, eine fesselnde Geschichte rund um einen geheimnisvollen Stalker namens Strelok sowie zahlreiche unheimliche Forschungseinrichtungen, in denen finstere, nicht näher beschriebene Experimente durchgeführt wurden. Das Spiel lässt euch all das in eurem eigenen Tempo entdecken. Kurz gesagt: Es vertraut darauf, dass ihr neugierig seid. 
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Dieses Vertrauen ist einer der Gründe dafür, dass dieses Spiel so leidenschaftliche Fans hat. Bis heute ist es sehr selten, dass man beim Spielen so respektvoll behandelt wird und so viel Freiraum erhält, um durch Praxis zu lernen. Und in diesem Spiel gibt es sehr viel zu lernen. 

Das Kampfsystem in allen drei Titeln dieser Trilogie wurde mit einem halben Auge auf die militärische Härte in Arma und Operation Flashpoint entwickelt. Schüsse aus der Hüfte sind schrecklich unpräzise, ihr seid auf das Zielfernrohr angewiesen, wenn ihr treffen wollt. Es gibt Steuerungsoptionen dafür, wenn ihr einen Blick aus der Deckung riskieren wollt, und ein Verschleißsystem, durch das sich Waffen mit der Zeit verschlechtern, wenn ihr sie nicht repariert.

In Kombination mit den rücksichtslosen Gegnern, denen ihr in der Sperrzone begegnet, sorgt das für ein knallhartes, taktisches Spielerlebnis. Stalker, die nur rennen und schießen, leben selten lange genug, um davon zu berichten. 

Der ursprüngliche Plan für Shadow of Chornobyl musste gekürzt werden, damit sich das Entwicklerteam auf die Behebung von Fehlern konzentrieren konnte, damit das Spiel bei seiner Veröffentlichung möglichst funktional war – ein Kraftakt, den GSC mit gemischtem Erfolg bewältigte. Doch bei der 2008 veröffentlichten Fortsetzung Clear Sky hatte das ukrainische Studio die Chance, seine ehrgeizige Vision besser umzusetzen. Diesmal schlüpft der Spieler in die Rolle eines Stalkers namens Scar, der über die geheimnisvolle Mitte der Zone wacht, die angeblich Wünsche in Erfüllung gehen lässt. Es gibt ein paar bekannte Orte, die aus dem ersten Teil übernommen wurden, aber auch neue Gebiete wie etwa die Stadt Limansk.
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Während sich das Fraktionssystem des Vorgängerspiels im Prinzip nur darum drehte, wie schlecht jede Gruppe auf den Spielercharakter zu sprechen war, gibt es in Clear Sky einen andauernden, dynamischen Fraktionskrieg. Jede Gruppe wetteifert um Gebiete, deren Grenzen sich während des gesamten Spiels ständig verschieben, und ihr könnt an diesem Kampf teilnehmen und Einfluss darauf nehmen, wie groß die Gebiete der jeweiligen Gruppen ausfallen. Zusammen mit anpassbaren Waffen und Ausrüstungsgegenständen bot dieses System ein neues Maß an Raffinesse, das zur immersiven Stimmung des Spiels passte.

Und dann erschien Call of Pripyat (2009). Diesmal ist der Spieler als Major Alexander Degtyarev unterwegs und muss die Absturzstellen mehrerer Militärhubschrauber untersuchen, die eigentlich die Zone sichern sollten, nachdem die Ereignisse in Shadow of Chornobyl zu einem gewaltigen Zustrom von Stalkern geführt hatten, die auf der Suche nach wertvollen Artefakten waren. „Call of Pripyat“ brachte eine komplett überarbeitete Gegner-KI, komplexere Verbesserungs- und Fraktionssysteme sowie ein verbessertes Wirtschaftssystem mit und war der dritte Anlauf von GSC, dieselbe düster faszinierende Spielwelt zum Leben zu erwecken.

Obwohl die Trilogie drei Geschichten über drei verschiedene Protagonisten erzählt, wirkt sie wie drei Versuche, dasselbe Spielerlebnis zu perfektionieren. Diese Trilogie erschien in einer Zeit, in der es noch keine Live-Service-Modelle gab und die physische Version eines Spiels, die in Läden verkauft wurde, mehr oder weniger endgültig war. Anders als bei modernen Titeln wie Fortnite waren damals nach der Veröffentlichung keine großartigen Änderungen oder dramatischen Wendungen mehr möglich. Angesichts dessen ergab die Art, wie GSC an die Fortsetzungen heranging, durchaus Sinn. Außerdem bedeutete es, dass sich Fans von S.T.A.L.K.E.R. lange mit vielen Fehlern abfinden mussten. 

Hier kommt das Paket Legends of the Zone ins Spiel. Dieses Paket ist jetzt im Epic Games Store verfügbar, enthält die Enhanced Edition von jedem Titel der ursprünglichen Trilogie und bietet somit die beste Art, sie zu spielen. Neben vielen behobenen Fehlern wurden auch die Reaktionsfähigkeit von Steuerung und UI sowie die Leistung für PC verbessert. Das Paket bleibt der einzigartigen und kompromisslosen Vision treu, die GSC für offene Welten in Ego-Shootern hat, und ermöglicht es euch gleichzeitig, in jedem dieser drei Spiele tiefer in die Zone einzutauchen als je zuvor.