Kapih mischt indische Sprache, Kunst und Religion in einer Liebeserklärung an 16-Bit-Shoot-’em-ups

15.4.2025
Von Shaan Joshi, Autor

Der Debut-Trailer von Kapih ist eine Enthüllung voller Details und weckt viele Fragen. Vieles erklärt sich selbst – die Shoot-’em-up-Action auf Plattformen und Schienen ist Fans dieses Genres wohlbekannt –, aber wer nicht in Südasien lebt oder der indischen Diaspora angehört wird viele Details möglicherweise nicht verstehen.

Ich selbst zähle mich zur letzteren Gruppe und hatte dennoch verschiedene Fragen. Im letzten Jahrzehnt hat die Spielebranche einen Aufschwung wie nie zuvor erlebt und während Erfolgshits wie Disco Elysium aus Estland und das chinesische Marvel Rivals die Welt im Sturm eroberten, konnten nur eine Handvoll Titel aus Indien (z. B. Raji von Nodding Heads Games) Spieler im Ausland begeistern. Wir sprachen mit 88 Games, um unsere Neugier zu stillen und mehr über den ersten Titel des Teams zu erfahren.

Kapih ist ein klassischer Retro-Shoot-’em-up-Plattformer“, erklärte Game Director Shiben Bhattacharjee. „In einer Welt voller komplexer Spielmechaniken möchten wir etwas sehr Einfaches bieten, das man mit Freunden im Couch-Koop spielen kann.“

Das Konzept ist reichlich vertraut und für das erste Spiel eines neuen Studios gut geeignet. 88 Games hat seinen Sitz in Bengaluru und ist ein Ableger des Medienunternehmens 88 Pictures. Die meisten Mitglieder des Teams haben auch bei Zynga und anderen Studios in der Umgebung Erfahrung gesammelt, doch ihr gemeinsamer Nenner ist vor allem die Arbeit an Animationen bei 88 Pictures. Bhattacharjee hat an mehreren Filmen von DreamWorks mitgewirkt, unter anderem an Die Pinguine aus Madagascar und Drachenzähmen leicht gemacht 2.

Auf den ersten Blick gleicht Kapih anderen Retro-Spielen der letzten Jahre. Cuphead war bei der Inspiration für das Spiel sicher beteiligt (ich konnte es mir während unseres Gesprächs nicht verkneifen, den Fantasienamen „Kapih-Head“ fallenzulassen), aber es überraschte mich, zu hören, dass ein viel älteres, fast vergessenes Spiel den Anstoß zu Kapih gab.
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„Unsere wichtigste Inspirationsquelle war Contra: Hard Corps“, sagt Bhattacharjee und weist auf Gemeinsamkeiten hin wie das Shoot-’em-up-Gameplay, den lokalen Koop-Modus, die acht möglichen Schießrichtungen und die jeweils zwei Protagonisten, einen männlichen und einen weiblichen.

Verschiedene Entwickler von Kapih – von technischen Grafikern bis zu Designern – pflegen ihr Faible für die 16-Bit-Ära, eine Nebenwirkung des ungleichen Zugangs zu Gaming-Hardware in Indien. Aufgrund mangelnden Interesses seitens der größeren Publisher, regionaler Preisgestaltung und nicht zuletzt der Importzölle erreichten wichtige Konsolen der 8- und 16-Bit-Ära den indischen Markt nie oder nur zu astronomischen Preisen. Infolgedessen hatte das Gaming hier einen wesentlich schlechteren Start als anderswo.

In den letzten Jahrzehnten ging die Entwicklung dann allerdings doch rasant vorwärts. Angesichts der wachsenden Bevölkerung des Landes und der zunehmenden Bedeutung von PC- und Handyspielen witterte 88 Games die Chance, ein ausgesprochen indisches Spiel zu entwickeln, das nicht nur einheimische Spieler, sondern auch ein weltweites, mit der indischen Kultur weniger vertrautes Publikum ansprechen könnte. Im Ankündigungstrailer von Kapih, der in Sanskrit vertont ist, wird dies besonders deutlich.

Bhattacharjee erinnert sich, wie das Team für die Vertonung Sanskrit wählte – das ähnlich wie Latein nur für religiöse Zwecke verwendet wird –, um dem Spiel mehr Retro-Atmosphäre und Authentizität zu verleihen.

„Wir wollen einen alten indischen Kunststil verwenden. Wir wollen Retro-Mechaniken verwenden. Der Sound soll klassische indische Musik sein“, sagt er. „Alles soll antik, retro und nostalgisch wirken, und da stand natürlich auch die Sprache zur Debatte. Sollten wir eine Sprache wie das Elbisch erfinden? Wir überlegten auch, ein Kauderwelsch wie das der Minions zu benutzen. Aber schließlich warfen wir alle diese Ideen über den Haufen und entschieden uns für Sanskrit. Das ist zwar auch für die meisten nur ein Kauderwelsch, aber gleichzeitig ist es authentisch.“ 
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Das war natürlich leichter gesagt als getan. Außerhalb der akademischen Welt wird Sanskrit nirgends alltäglich verwendet. Das Team musste Sanskrit-Experten zur Hilfe rufen und Online-Tools benutzen, um das Drehbuch des Spiels abzuschließen und sämtliche Aufnahmen einzuspielen.

„Die Synchronsprecher beherrschten die Sprache natürlich auch nicht. Wir brauchten daher jemanden, der bei den Aufnahmen dabei ist und den Sprechern Wort für Wort die Bedeutung und die korrekte Betonung erklärt“, so Bhattacharjee. „In der Aufnahmekabine saß immer ein Sanskrit-Kundiger mit Kopfhörer, der den Synchronsprechern jeweils erklären konnte: ‚Dies bedeutet dies. Das bedeutet das. Hier gehört eine kleine Pause dazwischen. Dieses Wort muss besonders betont werden.‘“

Ein ziemlicher Aufwand dafür, dass praktisch niemand, der Kapih spielt, die korrekte Aussprache überprüfen kann, aber für das Team war es die Zeit wert.

„Wer es hört, wird kaum wissen, ob die Betonung und die Aussprache stimmen, aber es war uns wichtig, dass sie korrekt sind. Diese Art von Perfektion verschafft ein gutes Gefühl.“

Derselbe Ansatz ist auch beim visuellen Design von Kapih erkennbar, das sich bei den verschiedensten altindischen Kunststilen bedient: Kalamkari-Stoffmalerei, Tanjore- und Madhubani-Malereien sowie Warli-Kunst, um nur einige zu nennen. Während das Team mit verschiedenen Stilen experimentierte, um herauszufinden, welche sich am besten für die Figuren und die Level-Umgebungen von Kapih eigneten, entstand die Lösung, eine Mischung zu verwenden.
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„Bei der Betrachtung von Madhubani-, Kalamkari-, Mysuru- und Tanjore-Malereien, Kerala-Wandgemälden und Stammeskunst wie der der Gond und Warli fällt auf, dass sie alle etwas gemein haben“, erklärt Bhattacharjee. „Die Bilder enthalten keine detailarmen Bereiche, in denen nichts passiert. Das gesamte Bild ist sehr detailliert, überall sind feine Einzelheiten.“

Während sich ein bestimmter Stil vielleicht gut für Gegner und den begehbaren Vordergrund eignet, ist er möglicherweise unpassend für die Elemente, die im Hintergrund vorbeiscrollen. Als Vergleich verweist Bhattacharjee auf die klassischen Hanna-Barbera-Zeichentrickfilme und erklärt, warum die schwarzen Umrisslinien von Zeichentrickfiguren in der Regel für Bildhintergründe ungeeignet sind.

„Bei Mysuru- und Tanjore-Malereien fiel uns auf, dass sich der gesamte Stil auf solche Umrisslinien stützt. Sie sind ein essentieller Bestandteil der Kunst, denn der Umriss definiert die Form. Wenn ich nun aber auch die Hintergrundelemente mit Umrissen versehe, wird es kompliziert“, erklärt er und erläutert, wie diese Elemente schwieriger erkennbar werden, wenn sich der Hintergrund von einer Seite zur anderen bewegt.
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„Mit einem Schärfentiefebereich sieht das einfach schlecht aus, die schwarzen Linien verschwimmen. Auch wenn ich die Sättigung verringere oder andere Mittel verwende, sind die Linien immer noch zu sehen. Sie sind aber Teil dieses Kunststils. Das heißt, wenn wir überall denselben Kunststil verwenden, macht das dem Spieler vielleicht fünf Sekunden lang Spaß, aber dann bekommt er Kopfschmerzen. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, uns nicht an einen Stil zu klammern, sondern lieber etwas Neues zu erfinden.“ Und so entstand die einzigartige Stilmischung von Kapih.

Bisher haben wir nur einen kleinen Teil der indischen Wurzeln von Kapih erwähnt. So beruht die Handlung beispielsweise auf dem Ramayana, einem der wichtigsten Texte des Hinduismus, und im Soundtrack sind viele indische Instrumente wie Tablas, eine Sitar, Dholak, Bansuri und die Vina zu hören. Natürlich freut sich das Team von 88 Games auch, der Welt diese weniger bekannten Elemente der indischen Kultur näher zu bringen, im Mittelpunkt der Entwicklung von Kapih steht aber die Begeisterung für Retro-Shoot-’em-ups.

„Dieses Genre ist sehr zeitlos und klassisch“, sagt Bhattacharjee. „Selbst in Indien ist es außerordentlich beliebt. Es ist allen so wichtig und teuer, dass es einfach an die nächste Generation weitergegeben werden muss. Es ist ein Spiel, um es mit seinem kleinen Bruder zu spielen. Mit seiner Frau, dem Ehemann, und vor allem mit den Kindern.“

Kapih erscheint noch in diesem Jahr im Epic Games Store.