Promise Mascot Agency: Zen und die Kunst, japanische Maskottchen zu warten

10.4.2025
Von Francisco Dominguez, Autor

Wie es am ersten Tag in einem neuen Job üblich, beginnt auch Promise Mascot Agency mit einem Desaster, das reif für die Geschichtsbücher ist.

Yakuza-Leutnant Michi verliert gleich zu Anfang bei einem Überfall 12 Milliarden Yen. Nachdem er um dieses Vermögen beraubt wurde (und sein Clan um die Chance, mit der Konkurrenz einen Frieden auszuhandeln), wird er zur Strafe in einen Leichensack gesteckt, auf einen Lastwagen verfrachtet und auf eine holprige Fahrt nach Kaso-Machi geschickt, ein abgelegenes japanisches Städtchen, das Verbrecher wie ihn zu einem vorzeitigen Tod verdammt. Doch statt eines Messerstichs zwischen die Rippen und eines seichten Grabes erhält er hier die Chance, seine Schulden zu begleichen, indem er das letzte verbleibende Geschäft seines Clans übernimmt: ein ehemaliges Stundenhotel, das nun als Zentrale einer Maskottchen-Agentur dient.

Japanische Maskottchen. Ein Gangster-Drama. Eine offene Welt im ländlichen Fukuoka. Eine nostalgische Atmosphäre der Shōwa-Zeit, durchdrungen vom gedämpften Ton und visuellen Stil des japanischen Kinos der 70er-Jahre. So präsentiert sich der verrückt-absurde Nachfolger des Detektivspiels Paradise Killer, mit dem wirklich niemand gerechnet hat.
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Wie Oli Clarke Smith erzählt, erschien der Schauplatz völlig aus heiterem Himmel.

„Wir bekamen plötzlich eine E-Mail, in der wir gefragt wurden, ob wir mit Ikumi Nakamura zusammenarbeiten wollen“, erinnert er sich. Nakamura hatte zuvor bei Tango Gameworks als Grafikkünstlerin bei der The Evil Within-Reihe und als Creative Director bei Ghostwire: Tokyo mitgearbeitet. „Natürlich haben wir ja gesagt!“

Die Ortskenntnis Nakamuras und der Konzeptkünstlerin Mai Mattori erwies sich für das überwiegend britische Studio als ebenso wichtig wie ihre künstlerischen Talente. „Nakamura schlug eine verlassene Stadt an der Küste von Fukuoka vor. So konnten wir das Konzept der bloßen Verwaltung einer Maskottchen-Agentur um die Erkundung dieses verlassenen und verfallenen Ortes erweitern – einen Aspekt, den man von Japan nicht gewohnt ist.“

Nakamura war nicht das einzige Branchen-Schwergewicht, das an der Entwicklung beteiligt war. „Für die Vertonung einiger Hauptcharaktere haben wir Castings organisiert. Takaya Kuroda, der Kazuma Kiryu seine Stimme leiht, tauchte auf, weil sein Agent eine Ausschreibung für einen Yakuza-Leutnant gesehen hatte und sich dachte: ‚Dafür hab ich genau den richtigen Mann.‘“, erzählt Clarke Smith und warnt sofort davor, einen bloßen Abklatsch des langjährigen Protagonisten aus Like a Dragon zu erwarten. Für die Rolle des Michi nimmt Kuroda einen regionalen Hakata-Dialekt an und spielt insgesamt einen jüngeren, weniger stoischen Charakter.
 

Maskottchen-Experte in einer vergessenen Stadt


Das Management-Gameplay von Promise Mascot Agency folgt einer klassischen Struktur: Stellt Maskottchen ein, wertet sie auf und vermietet sie an regionale Unternehmen für Geschäftseröffnungen, gesellschaftliche Veranstaltungen und andere Anlässe. Baut euer Unternehmen auf, erweitert es, haltet eure Mitarbeiter bei Laune und erwirtschaftet mehr Einnahmen als Ausgaben.

Da Maskottchen etwa so unfallträchtig wie Kleinkinder im Zuckerrausch sind, brauchen sie ständige Betreuung. Sobald sie mit einem Auftrag betraut werden, arbeiten sie einige Stunden, während sich Michi in seinem quietschenden Pritschenwagen bemüht, das Geschäft zu vergrößern. Doch im Fall einer Katastrophe – etwa wenn ein weinender To-Fu in einem schmalen Durchgang steckenbleibt oder das Kätzchen Trororo mit seiner Vorliebe für Yamswurzeln von einem Schwarm Bienen oder einem verspielten Hündchen verfolgt wird – muss Michi sofort zur Stelle sein.
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Diese Probleme könnt ihr mit sammelbaren Heldenkarten lösen, mit denen ihr Charaktere wie den charmanten Mechaniker Jose freischaltet, dessen Loyalität und Freundschaft ihr gewonnen habt (und weiter verbessert, indem ihr in der Stadt Aufgaben erfüllt). Es folgt ein strategischer Kartenspielkampf zu pulsierendem J-Pop, in dem ihr im Wettlauf gegen die Zeit alle Hindernisse aus dem Weg räumen müsst, die zwischen euch und eurem erwartungsvollen Publikum stehen.

Der von Nakamura gewählte Schauplatz kompliziert allerdings den andernfalls recht einfachen Weg zum Maskottchen-Magnaten. Erfolgreiche Unternehmen dieser Branche sind auf florierende Städte mit einem ordentlichen Budget für Maskottchenpossen angewiesen. Japanische Städtchen auf dem Land wie das fiktive Kaso-Machi welken aber eher dahin, anstatt zu blühen, denn die Landflucht der jüngeren Bevölkerung treibt sie in eine wirtschaftliche Abwärtsspirale.

Michis Enthusiasmus (und Besen!) sollen das vergessene Städtchen neu beleben, indem er vernachlässigte Schreine wieder aufpeppt und sich einem korrupten Bürgermeister entgegenstellt, der Gelder unterschlagen hat, die eigentlich dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt dienen sollten. Auf eurem Weg zum Erfolg schaltet ihr wichtige, stapelbare Modifikatoren frei, die eure Maskottchen-Aktivitäten und Einnahmen verbessern. Im Grunde ist Michi eine Art Mary Poppins mit Vorstrafenregister, der statt eines Regenschirms und einer Riesenhandtasche einen Nitroboost-fähigen Pritschenwagen mit spektakuläre Gleitfähigkeiten wie aus einem Arcadespiel besitzt.
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„Man kann zusehen, wie neue Geschäfte eröffnet werden, neue Restaurants und Unternehmen aufblühen und Touristen in die Stadt zurückkehren – alles dank der eigenen Leistungen!“, sagt Clarke Smith. „Anfangs hatten wir das gar nicht in Betracht gezogen, aber mittlerweile stellt es den Mittelpunkt dar.“
 

Ein PS2-Chill-Spiel


Bei Managementspiele geht es oft gewollt chaotisch zu – man denke nur an Prison Architect mit seinen turbulenten Ausbrüchen oder Two Point Hospital, in der eine medizinische Katastrophe die nächste jagt. Clarke Smith erklärt, dass Promise Mascot Agency eine entspanntere Erfahrung bieten will … etwa so wie Grand Theft Auto. Tatsächlich.

Wenn das Team von Kaizen Game Works Grand Theft Auto Online zockt, arten die Missionen zwar regelmäßig in „leibhaftiges Chaos“ aus, doch während der ruhigen Momente dazwischen bei einer malerischen Überlandfahrt herrscht eine andere Atmosphäre, sagt Smith. „Es ist eine abwechslungsreiches Spielerlebnis, bei dem man das Tempo selbst bestimmt und entscheidet, wie und wann man sich mit etwas beschäftigt“, führt er weiter aus.

Das steht in starkem Kontrast zu neuen Veröffentlichungen, die Smith oft als hyperaktiv und mit Gegenständen und aufmerksamkeitsheischenden NPCs überladen empfindet. „Es ist anstrengend. Es fühlt sich an, als sei man ständig mit Koffein vollgepumpt! Das wollen wir nicht. Wir wollen etwas schaffen, das ich die ‚PS2-Chill-Atmosphäre‘ nenne. Man entspannt sich in der Welt, in der man zwar allerhand unternehmen kann, aber niemand treibt einen an, es auch zu tun.
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Das Team von Kaizen entdeckte diese entspannte und nostalgische Atmosphäre im japanischen Kino der 70er-Jahre. Klassiker wie das mehrteilige Gangster-Epos Battles Without Honor and Humanity oder die Lady Snowblood-Rachefilme sind Beispiele für den besonderen Stil und die kontemplative Stimmung, die das japanische Kino jener Zeit auszeichnen.

„Sie stammen aus einer Ära, in der Szenen des Alltagslebens und die Interaktionen der Charaktere noch Zeit zum Luftholen und für eine Entwicklung hatten. Und sie haben diesen wunderbar weichen optischen Stil, den man heute nicht mehr findet – als würde man sich alte Filmaufnahmen ansehen“, erklärt Smith.

„Moderne Yakuza-Spiele wie die Like a Dragon-Reihe werden immer verrückter. Unser Spiel ist schön und seltsam, aber die Geschichte behält das Tempo und den Stil des traditionellen japanischen Fernsehens und Kinos bei“, fährt Smith fort. „Es steckt voller seltsamer Maskottchen und Übernatürlichem, aber wir sind nicht wie Yakuza Weapon – ein Film, in dem die Leute mit Raketenwerfern aufeinander schießen!“
 

Mr. Blobby versus Kumamon


In Großbritannien bringt man Maskottchen gemischte Gefühle entgegen. In den 90er-Jahren (und damit lange vor Wenlock und Mandeville, den ungeliebten Maskottchen der Olympischen Spiele 2012) hatten wir Briten das Pech, Zeuge von Noel's House Party zu werden. Diese Show, die zur Unterhaltung der ganzen Familie gedacht war, traumatisierte ganze Generationen der Bevölkerung mit einer rosafarbenen Monstrosität voller Punkte, mit Glubschaugen, einem verstörenden Clown-Grinsen und einem durchdringenden, unheimlichen Schrei: Mr. Blobby.

Japan behandelt seine Maskottchen mit mehr Respekt und Liebe. Crabtree erinnert sich (mit mehr Wohlwollen, als Mr. Blobby je zuteilwurde) an einen Trip nach Komamoto, wo er überall auf Kumamon stieß – den beliebten schwarzen Bär, der heute untrennbar mit der Region verbunden ist.

„Das Besondere an japanischen Maskottchen ist die Ernsthaftigkeit, mit der sie behandelt werden“, sagt Clarke Smith. „Ihr Maskottchen ist dafür da, eine Stadt, ein Produkt, eine Person oder einen Ort zu bewerben – und die Leute halten das nicht für albern. Mr. Blobby ist albern und eine Witzfigur. Wir nehmen Maskottchen nicht so ernst wie die Japaner. Diese Ernsthaftigkeit und Überzeugung ist ein wesentlicher Teil unserer Spielerfahrung.“
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Für Kaizen bot sich hier die Gelegenheit, sich mit Designs wie von Ichigo Love auszutoben, einem rosa Bären mit funkelnden Augen und einem zu einem Herzchen zusammengerollten Schwanz. Nakamura und Mattori entschieden sich für etwas Gruseligeres und trugen so zur „leichten Horrornote“ des Spiels bei: Oh, einst ein verehrtes Fotomodell, der mit zunehmendem Alter in Bedeutungslosigkeit versunken ist, und Tosu mit einer Vergangenheit als Hostess in einer zwielichtigen Bar. Nicht zu vergessen die Managementassistentin Pinky: das Maskottchen in Gestalt eines abgetrennten Fingers als grausige Hommage an ein brutales Yakuza-Ehrenritual.

Das sind nicht Leute, die in stickigen Maskottchenkostümen in ihrem Schweiß baden. Diese Maskottchen sind genau das, was sie zu sein scheinen. „Wir versuchten uns vorzustellen, wie es wäre, wenn Yokai in unserer modernen Welt lebten“, sagt Smith. „Wenn diese kleinen Dämonen und übernatürlichen Wesen in unserer Welt zurechtkommen wollten – womit müssten sie sich herumschlagen?“
 

Pop-Art-Pop-Ups


Ein unverkennbarer Einfluss ist Persona 4. Zusammen mit den frühen Yakuza-Spielen nennt Smith die verschlafene japanische Stadt Inaba (einschließlich der Mordserie) aus Persona 4 als eines der ersten Spiele mit virtueller Erkundung, die er gespielt hat.

„Der realistische Ort und die gewöhnlichen Leute, die im Schatten dieser seltsamen Ereignisse leben, sind wirklich beeindruckend“, sagt er. „Das Spiel hat mit den Charakteren, der Benutzeroberfläche und der Optik etwas gemacht, das man in anderen JRPGs nicht findet. Für ein so spät erschienenes PS2-Spiel, von dem die Macher wussten, dass es sich nicht so verkaufen würde, wie es sollte, hatte es eine echte Pop-Art-Ästhetik und ein starkes Vertrauen in das, was es war.“

Die Benutzeroberfläche von Promise Mascot Agency ahmt in vielerlei Hinsicht den auffälligen und charakteristischen Look von Persona nach und liefert den Spielern stilvoll wichtige Informationen zu ihrer Agentur . Smith hätte es nicht anders gewollt.

„Der Trend zu minimalistischen Benutzeroberflächen in Spielen gefällt uns nicht. Man hat den Eindruck, als ob die Benutzeroberfläche und das HUD den Leuten peinlich sind, weil sie etwas Cineastisches schaffen wollen. Wenn sie Kino machen wollen, sollen sie doch einen Film drehen! Der Spieler muss wissen, welche Waffe er hält, wie viel Leben er noch hat, das sind wichtige Informationen.“

Das Team recherchierte Musikvideos, Fernsehwerbungen und mehr aus der Shōwa-Zeit und dachte dabei nicht einmal an Atlus’ schwindelerregende UI-Designs und Übergänge, bei denen selbst das Navigieren im Menü ein psychedelischen Erlebnis ist. „Als wir es dann implementierten, entdeckten einige Leute, dass wir im Grunde die gleichen Ideen verwenden“, sagt Smith.

Ob absichtlich oder nicht, jedenfalls befinden sie sich in bester Gesellschaft.

Promise Mascot Agency ist jetzt im Epic Games Store erhältlich.